Wie Sie das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter richtig führen

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

Grundsätzlich haftet für die Schulden der Genossenschaft ausschliesslich die Genossenschaft selbst mit ihrem Vermögen. Die Statuten können allerdings bestimmen, dass nach dem Genossenschaftsvermögen die Genossenschafter persönlich haften (Art. 869 Abs. 1 OR). Dies verbessert die Kreditwürdigkeit der Genossenschaft gegenüber den Gläubigern und erhöht ihre Chancen, eine Finanzierung zu bekommen.

Die Haftung der Genossenschafter kann sowohl beschränkt als auch unbeschränkt sein. Alternativ zur persönlichen Haftung der Genossenschafter ist die Verpflichtung zu Nachschüssen gegenüber der Gesellschaft möglich (Art. 871 OR).

Zweck

Sowohl Haftung als auch die Nachschusspflicht der Genossenschafter erfüllen den gleichen Zweck. Die beiden Optionen steigern die Bonität der Genossenschaft. Der Unterschied liegt darin, dass die Haftung einer Befriedigung der Gläubiger im Konkursfall dient, während das primäre (aber nicht das einzige) Ziel der Nachschusspflicht ist, den Konkurs zu vermeiden. Im Falle einer Nachschusspflicht sind die Genossenschafter nicht den Gläubigern, sondern der Gesellschaft gegenüber zum Nachschuss verpflichtet.

Persönliche Haftung vs. Nachschusspflicht der Genossenschafter
Haftung Nachschusspflicht
unbeschränkt beschränkt unbeschränkt / beschränkt
Zweck Sicherung der Gläubigerrechte: Befriedigung der Gläubiger, wenn sie im Genossenschaftskonkurs zu Verlust gekommen sind Sanierungs- und Sicherungsfunktion:
1. Bilanzverlustdeckung: Die Genossenschaft erhalten, um einen Konkurs zu vermeiden.
2. Konkursverlustdeckung: Die Konkursverluste mindern.
Wem gegenüber? Gegenüber dem Gläubiger Gegenüber der Genossenschaft.
Im Konkursfall gegenüber der Konkursverwaltung.
Haftungsumfang unbeschränkt;
sobald in den Statuten nicht ausdrücklich genannt, wird eine unbeschränkte Belastung vermutet
bis zu einem bestimmten Beitrag unbeschränkt oder beschränkt;
Wenn in den Statuten nicht ausdrücklich genannt, wird eine unbeschränkte Belastung vermutet
Voraussetzungen 1. Bestehen einer Gesellschaftsverbindlichkeit.
2. Rechtswirksame Mitgliedschaft des Genossenschafters.
Haftungsbeginn Durch Beitritt zur Gesellschaft oder Mitgliedschaftswechsel.
Haftungsende Nach 1 Jahr nach der Austragung aus dem Verzeichnis und der Abmeldung beim Handelsregister. Die Statuten können eine längere Frist vorsehen. Fristbeginn: ab der Eintragung im Handelsregister.
Handlungsbedarf Verwaltung 1. Bestimmungen über die Haftung oder Nachschusspflicht in den Statuten formulieren.
2. Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter führen oder entsprechenden Vermerk im Genossenschafterverzeichnis machen.
3. Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter beim Handelsregisteramt einreichen.
Aktualisierung des Registers Jeden Ein- und Austritt der Genossenschafter beim Handelsregisteramt melden + das aktualisierte Verzeichnis vorlegen.

II. Notwendige Unterlagen

Die Verwaltung einer Genossenschaft, deren Mitglieder haft- und/ oder nachschusspflichtig sind, muss folgende Dokumente ordentlich pflegen:

  • Statuten
  • Beitrittserklärung
  • Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter

Zunächst ist die Pflicht der Genossenschafter zu einer persönlichen Haftung oder zu Nachschüssen in den Statuten zu regeln. Entsprechende Vorgaben müssen zudem aus einer schriftlichen Beitrittserklärung hervorgehen. Darüber hinaus hat die Verwaltung ein Register aller haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter anzulegen, in welches sie sämtliche Änderungen im Mitgliederbestand einträgt.

1. Statuten

Die Statuten müssen die Bestimmungen zu einer persönlichen Haftung oder einer Pflicht zu Nachschüssen der Genossenschafter explizit enthalten. Besonders wichtig sind die Angaben zum Haftungsumfang (beschränkt oder unbeschränkt) und der Frist für die Weiterhaftung. Alle Bestimmungen sind korrekt und vollständig zu formulieren.

a) Haftungsumfang

Wichtig ist in den Statuten anzugeben, in welchem Umfang die Haftungsverpflichtungen bestehen: unbeschränkt oder beschränkt. Falls die Statuten diesbezüglich keine Informationen liefern, wird von einer unbeschränkten Haftung oder Nachschusspflicht ausgegangen.

Bei einer unbeschränkten Haftung haften die Gesellschafter für die Schulden der Genossenschaft unbegrenzt. Im Falle einer beschränkten Haftung treten die Genossenschafter mit ihrem Vermögen nur bis zu einem bestimmten Betrag ein (Art. 870 Abs. 1 OR).

Achtung: Die Mitgliederbeiträge und Genossenschaftsanteile werden auf den Haftungsbeitrag nicht angerechnet.

Genossenschaften ohne Grundkapital

Besitzt die Genossenschaft kein Grundkapital, hat sie den Haftungsbeitrag durch eine bestimmte Summe festzulegen. Die Gesellschaft kann die Haftung individuell oder kollektiv begrenzen.

Beispiel
Individuelle Haftung: bis zu CHF 1000 pro Mitglied
Kollektive Haftung: bis zu einem Gesamtbetrag von CHF 50 000 für alle Genossenschafter zusammen

Genossenschaften mit Grundkapital

Bei Vorliegen eines Genossenschaftskapitals richtet sich die Haftung nach den Anteilen. Die Genossenschafter, die mehrere Kapitalanteile besitzen, profitieren vom Gewinn in einem grösseren Umfang und werden deswegen beim Verlust stärker belastet.

Die Haftungsbeschränkung nach der Zahl der Anteile ist nur dann zulässig, wenn alle Anteile den gleichen Nominalwert haben. Bei Anteilen mit unterschiedlichem Nennwert erfolgt die Beschränkung nach dem Nominalwert der von jedem Mitglied übernommenen Anteile.

Die Genossenschafter haften nicht solidarisch. Im Zweifelsfall kann lediglich eine Teilhaftung vermutet werden.

Statutenänderung

Jegliche Änderungen an den Haftungs- oder Nachschussverpflichtungen der Genossenschafter bedürfen einer Revision der Statuten (und gegebenenfalls einer öffentlichen Beurkundung, s. Punkt c) Beurkundung).

Beispiel
Aufhebung von Haftung und Nachschusspflicht
Umwandlung einer unbeschränkten in eine beschränkte Verpflichtung
Umwandlung einer solidarischen in eine anteilmässige Verpflichtung

b) Weiterhaftungsfrist

Sie müssen in den Statuten die Frist für die Weiterhaftung der ausgeschiedenen Genossenschafter festlegen. Die gesetzliche Frist beträgt ein Jahr nach dem Austritt (Art. 876 OR). Sie können aber eine längere Frist für die Weiterhaftung bestimmen.

Weiterhaftung: Zweck und Dauer

Die Haftung der Genossenschafter beginnt mit dem Beitritt zur Gesellschaft oder bei einem Mitgliedschaftswechsel (Art. 847 Abs. 2 f. und Art. 850 Abs. 2 OR). Allerdings endet die Haftung des Gesellschafters mit seinem Austritt nicht. Der ehemalige Genossenschafter bleibt nach seinem Ausscheiden weiterhin haftbar.

Der Zweck der Weiterhaftung des Genossenschafters nach seinem Austritt ist der Schutz des Gläubigers. Denn kein Gläubiger würde der Genossenschaft einen Kredit gewähren, wenn sich deren Mitglieder im Falle der wirtschaftlichen Schwierigkeiten von ihrer Haftungsverpflichtung durch blossen Austritt befreien könnten.

Keine Haftung möglich?

Die Haftung des Austretenden bleibt nur dann fortbestehen, wenn die Genossenschaft innert eines Jahres seit Eintragung des Ausscheidens in Konkurs fällt. Der Konkurs gilt von dem Zeitpunkt an als eröffnet, in dem er erkannt wird (Art. 175 Abs. 1 SchKG).

Wird innerhalb des Jahres über die Genossenschaft kein Konkurs eröffnet, kann die Gesellschaft weder den Ausgeschiedenen noch seine Erben – falls sie keine Mitglieder geworden sind – zur Haftung heranziehen.

Achtung: Falls die Statuten eine längere Frist als ein Jahr für die Weiterhaftung vorsehen, sind die ausgeschiedenen Mitglieder und ihre Erben innerhalb der statutarischen Frist weiterhin haftbar.

c) Beurkundung

Jede Anpassung der Statuten bedarf einer öffentlichen Beurkundung durch einen Notar oder Rechtsanwalt. Diese Pflicht entfällt ausschliesslich bei der Errichtung der Genossenschaft, da die notarielle Bestätigung in diesem Fall automatisch erfolgt.

Bei der Gründung

Falls die Gesellschaft von Anfang an als Genossenschaft mit persönlicher Haftung ihrer Mitglieder gedacht ist, muss die Verwaltung die Statuten nicht extra beurkunden lassen. Die Beurkundung erfolgt mit der Gründung, da die Errichtung einer Genossenschaft seit dem 1. Januar 2023 zwingend zu beurkunden ist (Art. 830 OR).

Die Statuten samt dem Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter sind an das Handelsregisteramt einzureichen (näher dazu s. Punkt 3. Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter).

Durch die Statutenänderung

Möchten Sie eine persönliche Haftung der Mitglieder bei einer bestehenden Genossenschaft einführen, bedarf es einer Statutenänderung. Die Statutenänderung ist durch eine Urkundsperson (Notar oder Rechtsanwalt) öffentlich zu beurkunden (Art. 838a OR). Dafür müssen Sie eine Generalversammlung einberufen (ordentlich oder ausserordentlich) und einen Notar oder Rechtsanwalt dazu einladen.

Nach der Generalversammlung melden Sie die Änderungen beim Handelsregisteramt an. Der Meldung sind das Anmeldeformular, die öffentliche Urkunde über die Beschlüsse der Generalversammlung, die angepassten Statuten und das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter beizufügen.

Die notwendigen Formulare finden Sie in der Regel auf der Homepage des jeweiligen Kantons.

Beispiel
Kanton Zürich:
Anmeldeformular Änderungen der Statuten
Öffentliche Urkunde Generalversammlung

2. Beitrittserklärung

Um ein Mitglied der Genossenschaft zu werden, muss der Anwärter eine schriftliche Erklärung über die Aufnahme unterschreiben (Beitrittserklärung).

Achtung: Die Beitrittserklärung muss die Verpflichtungen zur persönlichen Haftung oder zum Nachschuss präzise und vollständig umschreiben (Art. 840 Abs. 2 OR). Der blosse Hinweis auf die Statuten ist nicht ausreichend.

Die Aufklärungspflicht über die persönlichen Haftungsrisiken der Genossenschafter liegt bei der Verwaltung. Sie hat die Beitretenden tatsächlich und vollumfänglich in Kenntnis zu setzen. Die Beitrittserklärung muss die genauen Angaben über den Haftungsumfang enthalten.

Bewahren Sie die Beitrittserklärungen der Genossenschafter bei Unternehmensunterlagen sicher auf.

Nähere Informationen zur Beitrittserklärung entnehmen Sie unserem Artikel “Beitrittserklärung: Wie wird man Genossenschaftsmitglied?”.

3. Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter

Die Verwaltung nimmt alle Genossenschafter, die einer persönlichen Haftung oder einer Nachschusspflicht unterliegen, in das spezielle Register auf. Dieses Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter müssen die Mitglieder der Verwaltung sorgfältig führen und jeden Ein- und Austritt der Genossenschafter fristgerecht ins Register eintragen.

Zudem obliegt es der Verwaltung die Änderungen im Mitgliederbestand beim Handelsregisteramt zu melden. Der Meldung ist die aktualisierte Liste der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter beizulegen.

a) Bedeutung des Verzeichnisses

Das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter spielt in zwei Fällen eine grosse Rolle: bei der Bonitätsprüfung und im Haftungsfall.

Bonitätsprüfung

Jede Drittperson, die mit der Genossenschaft im Rechtsverkehr handelt, möchte wissen, ob die im Register eingetragenen Personen auch tatsächlich die Genossenschafter sind oder bereits ausgeschieden sind. Bevor ein Gläubiger dem Risiko der Kreditgewährung eingeht, braucht er die genauen Angaben über die Anzahl und Person der haftenden Genossenschafter. Diese Informationen liefert ihm das Handelsregister. Zwar erfolgt durch die Meldung der Verwaltung keine Eintragung in das Handelsregister, jedoch steht die aktuelle Version des Verzeichnisses samt allen Mitgliedsänderungen jedermann zur Einsicht offen (Art. 88 Abs. 2 HRegV).

Haftungsfall

Gerät die Genossenschaft in den Konkurs, muss die Konkursverwaltung eine Liste der gegenwärtigen und früheren Mitglieder aufstellen, welche für die Schulden der Gesellschaft haften oder nachschusspflichtig sind. Diese Aufstellung basiert auf dem Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter (Art. 873 Abs. 1 OR).

b) Meldung beim Handelsregisteramt

Gründung

Gleich mit der Anmeldung beim Handelsregisteramt zur Gründung der Genossenschaft muss die Verwaltung das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter vorlegen (Art. 837 OR und Art. 84 Abs. 1 lit. h HRegV).

Das Verzeichnis hat ein Mitglied der Verwaltung zu unterschreiben (Art. 84 Abs. 1 lit. h HRegV).

Nach der Gründung

Des Weiteren muss die Verwaltung dem Handelsregisteramt sämtliche Mutationen im Genossenschafterbestand melden (Art. 877 Abs. 1 OR). Mitzuteilen ist jeder Ein- oder Austritt der Gesellschafter.

Der Meldung müssen Sie die aktualisierte Version des Verzeichnisses der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter beifügen, vorzugsweise in elektronischer Form (Art. 88 Abs. 1 HRegV).

Ein Mitglied der Verwaltung hat das angepasste Verzeichnis zu unterschreiben.

c) Angaben

Im Verzeichnis müssen Sie folgende Angaben erfassen:

aa) Angaben zu der Genossenschaft

Als Erstes müssen Sie die Firma der Genossenschaft, Sitz und UID-Nummer in das Register eintragen.

bb) Angaben zu den Genossenschaftern

Danach sind die persönlichen Daten der Genossenschafter auszufüllen. Dazu zählen insbesondere:
- Name / Vorname des Genossenschafters (bei juristischen Personen: Firma)
- Adresse
- Geburtsjahr
- Ein- und Austrittsdatum

Das Austrittsdatum ist besonders relevant, da es für die Berechnung der Weiterhaftungsfrist des Genossenschafters entscheidend ist.

cc) Datum und Unterschrift

Das Verzeichnis müssen Sie mit dem Datum und der Unterschrift eines Verwaltungsmitglieds versehen. Dabei ist irrelevant, ob die Person zeichnungsberechtigt ist oder nicht.

Die Kantone können weitere Angaben im Verzeichnis fordern, beispielsweise Wohn- und Heimatort, Staatsangehörigkeit, Angaben zu der politischen Gemeinde etc. Erkundigen Sie sich diesbezüglich bei Ihrem Handelsregisteramt.

Nähere Informationen zu den Angaben im Verzeichnis entnehmen Sie bitte unserem Artikel „Wie viele Genossenschaftsregister müssen Sie führen“.

d) Form des Verzeichnisses

Das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter können Sie an das Handelsregisteramt in Papierform oder elektronisch einreichen. Ein Register in Papierform lohnt sich bei kleineren Datenmengen, während sich ein digitales Verzeichnis für grössere Datenmengen eignet.

Achtung: Der Inhalt eines elektronischen Verzeichnisses darf nicht nachträglich geändert werden! Falls Sie das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter in digitaler Form einreichen, muss das Dokument im PDF-Format sein und mit einer digitalen Unterschrift unterzeichnet sein. Anerkannt vom Handelsregisteramt wird ausschliesslich die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES).

QES

Die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) ist eine digitale Signatur, die einer händischen Unterschrift gleichwertig ist. Basierend auf einem qualifizierten Zertifikat bestätigt die QES Ihre Identität in der digitalen Welt und ersetzt eine Unterschrift per Hand.

e) Frist

Die Verwaltung hat drei Monate Zeit, um die Änderungen im Mitgliederbestand dem Handelsregisteramt mitzuteilen und die notwendigen Unterlagen einzureichen. Hält die Verwaltung diese Frist nicht ein, kann sie bestraft werden (näher dazu s. Punkt III. Wie können die Verwaltung und die Genossenschaft sich strafbar machen).

aa) Haftungsende

Wie oben bereits erwähnt, hört die Haftung des Gesellschafters mit dem Ausscheiden nicht auf. Falls die Statuten keine abweichenden Bestimmungen enthalten, endet die Haftung nach einem Jahr nach der Streichung der Person aus dem Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter und darauffolgenden Abmeldung beim Handelsregisteramt (Art. 876 Abs. 1 OR). Das Gleiche gilt für die Nachschusspflicht.

Die ehemaligen Mitglieder haften gleich den aktuellen Genossenschaftern. Allerdings sind die Ausgeschiedenen ausschliesslich für die Verbindlichkeiten verantwortlich, die vor ihrem Austritt entstanden sind. Ausserdem können die Ausgeschiedenen nur dann herangezogen werden, wenn die Genossenschaft innerhalb der gesetzlichen oder statutarischen Frist seit der Eintragung des Ausscheidens in Konkurs gerät (zu den Besonderheiten der Nachschusspflicht s. Punkt IV. Exkurs: Nachschusspflicht).

Zur Beendigung der Haftung sind erforderlich:
- tatsächliches Erlöschen der Mitgliedschaft
- Streichung des Ausgeschiedenen aus dem Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter
- Eintragung im Handelsregister

Achtung: Massgebend für den Beginn der Weiterhaftungsfrist ist nicht das erfolgte Ausscheiden, sondern die Meldung beim Handelsregisteramt, die auf den Angaben im Verzeichnis beruht.

Unterlässt die Verwaltung aus irgendeinem Grund die Abmeldung beim Handelsregisteramt, hat der Genossenschafter dem Gläubiger nachzuweisen, dass er aus der Gesellschaft tatsächlich ausgetreten ist.

Achtung: Falls dem Genossenschafter durch die versäumte Abmeldung ein Schaden entsteht, kann er gegen die Genossenschaft vorgehen und den Schadensersatz einfordern.

bb) Meldung des Ausscheidens durch Genossenschafter

Kommt die Verwaltung ihrer Pflicht zur Anmeldung des Ausscheidens eines Genossenschafters nicht nach, kann der Genossenschafter die Eintragung von sich aus vornehmen. Das ehemalige Mitglied oder seine Erben können beim Handelsregisteramt den Austritt, den Ausschluss oder den Todesfall selbständig melden (Art. 877 Abs. 2 S. 1 OR).

Das Handelsregisteramt informiert die Verwaltung über alle Abmeldungen der Genossenschafter oder ihrer Erben sofort (Art. 877 Abs. 2 S. 2 OR). Das Gesetz schützt die Genossenschaft vor der Situation, in welcher ein Mitglied durch eine eigenmächtige Abmeldung die Weiterhaftung abkürzt. Beispielsweise, wenn der Genossenschaft ein wirtschaftlicher Untergang droht.

III. Wie können die Verwaltung und die Genossenschaft sich strafbar machen

1. Strafe für die Nichtmeldung beim Handelsregisteramt

Die Führung und Aktualisierung des Verzeichnisses der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter sowie die Meldung der Ein- und Austritte der Gesellschafter beim Handelsregisteramt obliegt der Verwaltung. Verletzen die Verwaltungsmitglieder diese Pflicht, können sie bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bekommen.

Der Art. 153 StGB legt fest:

Wer eine Handelsregisterbehörde zu einer unwahren Eintragung veranlasst oder ihr eine eintragungspflichtige Tatsache verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2. Schadensersatz für eine versäumte Meldung

Die Genossenschaft kann sich gegenüber dem Genossenschafter aufgrund einer versäumten Meldung beim Handelsregisteramt strafbar machen. Dies kann passieren, wenn die Genossenschaft den Austritt des Genossenschafters innerhalb von drei Monaten nicht anmeldet und der Genossenschafter im Haftungsfalle einen Schaden dadurch erleidet.

In diesem Fall kann der Genossenschafter von der Gesellschaft einen Schadensersatz einfordern. Dies besagt der Art. 41 Abs. 1 OR:

Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.

3. Schadensersatz für die Pflichtverletzung

Den Schadensersatz für den im Punkt 2 entstandenen Schaden kann die Genossenschaft wiederum von den verantwortlichen Verwaltungsmitgliedern verlangen. Denn die Verwaltung ist verpflichtet, die Meldungen beim Handelsregisteramt fristgerecht zu erstatten.

Dazu äussert sich der Art. 916 OR:

Alle mit der Verwaltung, Geschäftsführung, Revision oder Liquidation befassten Personen sind der Genossenschaft für den Schaden verantwortlich, den sie ihr durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen.

IV. Exkurs: Nachschusspflicht

1. Nachschusspflicht vs. Haftung

Während die persönliche Haftung ein Schuldverhältnis zwischen dem Genossenschafter und dem Gläubiger regelt, reglementiert die Nachschusspflicht eine interne Beziehung zwischen dem Genossenschafter und der Gesellschaft. Forderungsberechtigt ist somit nicht der Gläubiger, sondern die Genossenschaft.

Der wichtigste Unterschied zwischen der Haftung und der Nachschusspflicht liegt darin, dass die Nachschusspflicht vor allem der Vermeidung eines Konkurses dient. Bei Auftreten von Bilanzverlusten kann die Verwaltung Nachschüsse einfordern, um den Zusammenbruch der Genossenschaft zu verhindern (Art. 871 Abs. 1 OR). Unter Bilanzverlust wird nicht nur die Überschuldung, sondern auch die Unterbilanz verstanden.

Die Nachschusspflicht kann beschränkt oder unbeschränkt sein. In den Statuten ist ausdrücklich anzuordnen, ob die Nachschusspflicht beschränkt oder unbeschränkt ist.

Achtung: Falls es aus den Statuten nicht ersichtlich ist, ist eine unbeschränkte Nachschusspflicht anzunehmen.

2. Einforderung der Nachschüsse

Die Genossenschaft ist berechtigt, die Nachschüsse jederzeit einzufordern (Art. 871 Abs. 4 OR).

Wer kann Nachschüsse einfordern?

Ausserhalb des Konkurses ist die Verwaltung zur Einforderung von Nachschüssen für die Genossenschaft ermächtigt. Die Entscheidung, ob die Genossenschaft zur Beseitigung der Verluste zu den Nachschüssen greift oder andere Mittel aussucht, trifft die Verwaltung. Im Konkursfalle macht die Konkursverwaltung die Nachschusspflicht geltend.

Genossenschaft mit Grundkapital

Verfügt die Genossenschaft über ein Grundkapital, entsteht der Bilanzverlust respektive die Unterbilanz, wenn der Überschuss der Aktiven über die Passiven wertmässig geringer ist als das Genossenschaftskapital.

Genossenschaft ohne Grundkapital

Bei einer Genossenschaft ohne Grundkapital tritt der Bilanzverlust dann ein, wenn das Eigenkapital durch die Betriebsverluste aufgebraucht ist und die Aktiven zur Schuldendeckung nicht mehr ausreichend sind. In diesem Fall ist die Genossenschaft überschuldet.

V. Fazit

Was ist zu tun:

Statuten

  • vollständig und präzise die Haftungsverpflichtungen umschreiben und die Frist für die Weiterhaftung der Genossenschafter festsetzen.
  • jede Statutenänderung im Rahmen einer Generalversammlung öffentlich beurkunden lassen, dann beim Handelsregisteramt vorlegen.

Beitrittserklärung

  • konkret und vollständig die Haftungsverpflichtungen umschreiben; ein blosser Hinweis auf die Statuten reicht nicht.
  • Beitrittserklärungen der Genossenschafter aufbewahren.

Verzeichnis

  • das Verzeichnis der haft- und nachschusspflichtigen Genossenschafter führen und rechtzeitig aktualisieren. Alle Ein- und Austritte der Genossenschafter dem Handelsregisteramt fristgerecht mitteilen und die aktualisierte Liste der haftenden Genossenschafter vorlegen.
  • das angepasste Register der Genossenschafter für das Handelsregisteramt durch ein Mitglied der Verwaltung unterschreiben.
  • das digitale Verzeichnis im PDF-Format vorlegen, versehen mit einer Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES).

Literatur:

Geschrieben von Anna Sokolova


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